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1. Juli 2022  

Nachruf Anton Kröss.

Wer zu Beginn der 1960er-Jahre in Salzburg Radrennen fahren wollte, der kam an 3 Personen nicht vorbei. An ARBÖ-Sekretär Glavnik, der die Renn-Lizenz besorgte, an Franz Perfahl, der damals als Einziger in Salzburg gute Rennräder verkaufte und der, nachdem er dem ungeduldigen Nachwuchsfahrer das mühsam ersparte Rennrad aushändigte, diesem zumeist noch einen guten Rat mit auf den Weg gab: „Wenn du wissen willst, wie man vernünftig trainiert und was dich bei den Rennen erwartet, dann fragst den Toni.“

Der Toni war diese 3. Person, und gemeint war damit Anton Kröss, welcher als erfahrene Leitfigur den ungestümen D-Fahrern, wie damals die Nachwuchs-Klasse hieß, die großen Feinheiten und auch die kleinen Gemeinheiten des Radrennsports beibrachte. Die berühmten Ortstafelsprints, um die Taktik im Endspurt zu lernen, das Fahren im Windschatten, das Ablösen bei Seitenwind, wie man den Gaisberg möglichst schnell runterbrettern konnte bei geringem Risiko durch Tonis empfohlene Kurventechnik – und was man sonst noch können sollte – der Toni wusste wie’s geht.

1962 organisierte er auch die legendäre Fahrt zur Rad-WM nach Saló, über die Schweiz nach Mailand, um dort für Kuni Krainbuchner ein Cinelli-Rennrad zu kaufen, und dann rauf zum Gardasee zur WM-Strecke. 5 junge Radrennfahrer, einer noch abenteuerlustiger als der andere, die eines gemeinsam hatten – keiner von ihnen war mit materiellen Gütern gesegnet, sondern eher das Gegenteil war der Fall. Da konnten die 4 jüngeren von Toni noch etwas lernen, nämlich wie man eine fast 2-wöchige Radtour mit minimalem Budget bestreiten kann. Übernachtungen in Heustadeln, Turnhallen, Gartenhäuschen, Jugendherbergen oder, wie in Saló selbst, in den Weinbergen direkt am Geschehen. Dann noch seine Ratschläge, wie man mit geringstem finanziellem Aufwand ein Maximum an Kalorien bekommen konnte:

„In Österreich isst ma a Knedlsuppn und trinkt an g’spritztn Opfisoft oder Weißwein, in Italien gibt’s am günstigsten Spaghetti Pomodoro und ma trinkt an Vino della casa, und durch d’ Schweiz foan ma am besten gonz schnö durch und bleim nirgends steh, weil do dazoast ned amoi a kloane Jausn.“ Ja, seine diesbezüglichen Tipps waren gut und durch nichts zu widerlegen.

Ebenso spannend wie dieser Italien-Trip waren die Fahrten mit ihm zu den Rennen in seinem ital. Luxus-SUV. Ein Fiat Multipla mit dem Kosenamen »Pepperl«, wobei schon mal der Beifahrer das gerissene Gasseil mit der Hand bedienen musste, oder wo plötzlich alle 5 am Dach befestigten Rennräder samt Radträger dem Luftdruck bei einer 2stelligen Maximalgeschwindigkeit nicht mehr standhielten und auf der Autobahn eine neue Fahrspur eröffneten.

Als starker Straßen-Radrennfahrer war Toni ein gefürchteter Sprinter, wurde 4x Landesmeister, besiegte bei der zum Austria-Cup zählenden und stark besetzten Salzburg-Rundfahrt 1961 solche Kapazunder wie Robert Csenar und Walter Müller und brachte den Linzer Egon Hammer zur Verzweiflung, wenn er, wie in Braunau 1963, wieder eine Nasenlänge bzw. Reifenbreite vor ihm einen Endspurt gewann.

Toni Kröss war aber nicht nur ein starker Rennfahrer, er war auch gern gesehen als Funktionär und Streckenposten z. B. bei den Motorradrennen auf der Autobahn in Liefering und Grödig, als Zeitnehmer bei div. Rennen, als sportlicher Leiter und Begleiter der Salzburger Mannschaft bei der Österreich Rundfahrt 1965 und, wenn in kalten Wintermonaten kein Radtraining möglich war, setzte er sich auf die Rennrodel und war dabei auch noch ein sehr guter Naturbahnrodler.

Nach seiner aktiven Laufbahn pausierte er einige Jahre, Heirat und Hausbau standen an, um dann ab 1975 bis ca. 1990 wieder durchaus erfolgreich an Seniorenrennen teilzunehmen und vor allem des Öfteren Ausflüge zum Giro d’Italia und auch zur Tour de France zu unternehmen, wobei er den Ehrgeiz hatte, möglichst viele der Pass-Straßen zu befahren, über welche sich auch die Profis plagen mussten. In Südtirol dürfte es überhaupt keinen bekannten Pass geben, den Toni bei seinen zahlreichen Giro-Fan-Besuchen nicht bezwungen hatte. Sogar den höllischen Monte Zoncolan hatte er auf seiner angeblich vorhandenen To-do-Liste abgehakt.

Es gab aber auch noch einen anderen Toni, der wenig mit dem ehrgeizigen Radfahrer zu tun hatte. Da gab es zum einen den Bergfreund, der sich an unserer wunderbaren Natur erfreute und der auch mit seinem Hund Willi das Gipfelglück genoss; und zum anderen den Musikfreund, den es begeisterte, bei einer oder zwei »Halben« einen herrlich swingenden Jazz-Abend zu genießen. Ob das nun im alten Mexikano-Keller oder in der Stiegl-Brauerei war, wo Adi Jüstel mit seiner Old-Boy-Group die Girls von Impanema vorbeiflanieren ließ oder im Urban-Keller, wo die Salzach-River-Stompers Robert Kings Ice Cream servierten oder die Veterinary-Street-Jazzband aus Bayern die Heiligen hereinmarschieren ließ – bei New-Orleans-Jazz, Dixieland und Swing lebte er regelrecht mit, da ging ihm das Herz auf, da war ihm die Freude ins Gesicht geschrieben und man erlebte wirklich »einen ganz anderen Toni«.

Ja, Toni, was soll ich jetzt noch sagen – ich könnte dir, nachdem ich zu Lebzeiten von deinen Ratschlägen profitiert habe, auch noch einen Rat zurückgeben. Lass‘ dir doch eine große Portion von den himmlischen Spaghetti pomodoro servieren und bestell‘ dir einen Vino della casa – die haben bestimmt einen sehr guten Tropfen dort oben im Keller. Und an einem schönen Sommerabend gibt es sicher irgendwann, irgendwo hinter dem großen Wolkenturm ein Konzert von Louis Satchmo Armstrong bei dem dir wieder das Herz aufgeht – „And I think to myself, what a wonderful world“.

Servus Toni!

Günter Fischwenger und der Stammtisch der "Alten Salzburger Radler".